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Unterstützung von Kindern, die von schädlichen kulturellen Praktiken (Kinderhandel, Frühheirat, Exorzismus) betroffen sind

Immer wieder versuchen Kinderhändler Kinder zum Arbeiten über die Grenze nach Ghana zu schleusen. Diese mussten sich unter der Plane verstecken, wo die kaum Luft bekamen. cr
Immer wieder versuchen Kinderhändler Kinder zum Arbeiten über die Grenze nach Ghana zu schleusen. Diese mussten sich unter der Plane verstecken, wo die kaum Luft bekamen. cr

Hintergründe

Im Norden Togos, insbesondere in den ländlich geprägten Grenzgebieten zu Ghana und Benin, sind schädliche kulturelle Praktiken an Kindern leider alltäglich. Darunter ist die Anschuldigung der Hexerei zu nennen, die für die betroffenen Kinder meist sozialen Ausschluss, schwere körperliche und psychische Gewalt oder gar den Tod bedeutet. Der Aberglaube ist in dieser Region tief verankert. Die Armut vieler Familien – die sich durch die Coronakrise drastisch verstärkt – fördert zudem diese und weitere schädliche Praktiken wie Frühverheiratung und Kinderhandel. Wenige Akteure wagten bisher, gegen diese Kinderrechtsverletzungen vorzugehen und sich für den Schutz und die Förderung der Kinder einzusetzen. Die togoische Kinderrechtsorganisation CREUSET konnte jedoch in den letzten Jahren mit ihrem außerordentlichen Mut und Engagement dazu beitragen, diese Phänomene in zwei Regionen Togos einzudämmen. 

Mit dieser Erfahrung und Expertise haben Kinderrechte Afrika e. V. und CREUSET nun die Bekämpfung schädlicher kultureller Praktiken in den Präfekturen Dankpen, Oti und Oti-Sud in den Regionen Kara und Savanes aufgenommen. Dabei ist die ganzheitliche Förderung und Wiedereingliederung betroffener Kinder eine wichtige Maßnahme.

Geförderte Maßnahmen

Das HDZ unterstützt die psychologische und rechtliche Begleitung von insgesamt 170 betroffenen Kindern und ihren Familien. Dazu gehört auch die Unterstützung der Kinder für den Erhalt einer Geburtsurkunde. Lokale Kinder- und Jugendclubs werden für die Wiedereingliederung der oft stigmatisierten Kinder in die Gemeinschaft unterstützt. Die Kindergruppen erlernen Selbstschutzmechanismen und Wege, sich gegenseitig zu unterstützen. In Radiosendungen in den Lokalsprachen machen Kinder auf ihre Situation aufmerksam und mobilisieren ihre Gemeinden für einen besseren Kinderschutz. 

Tamaras Geschichte

Tamara ist 13 Jahre alt. Sie kommt aus einer polygamen Familie mit 7 älteren und 4 jüngeren Geschwistern. Ihr Vater ist Bauer, hat jedoch psychische Probleme und ist oft betrunken. Ihre Mutter konnte diesen Zustand irgendwann nicht länger ertragen. Sie verließ die Familie und heiratete erneut in Ghana. Tamara hat seitdem keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter und weiß nicht, wo diese lebt. Ihre älteren Geschwister haben das Haus ebenfalls verlassen, um sich allein durchzuschlagen. Nur ein älterer Bruder lebt noch mit Tamara beim Vater. Er geht in die neunte Klasse, muss sich aber ebenso wie Tamara selbst versorgen. Die jüngeren Geschwister leben bei Onkeln und Tanten. 

Vor fünf Jahren verletzte sich Tamara am linken Bein. Dort klafft seitdem eine große Wunde, die nicht richtig verheilen will und immer wieder aufreißt. Die Schule – sie ging noch in die erste Klasse – musste sie deswegen abbrechen. Schlimmer noch: Ein Gerücht entstand, dass die Wunde von nächtlichen Ausgängen herrühre. Tamara gehöre zu einer Gruppe von Hexen, die sich nachts für Rituale treffen würden. Tamaras Bein diene dabei als Opfertisch auf dem die Opfergaben geschlachtet würden. Dies sei der Grund, dass die Wunde nicht verheile. Ohne elterliche Unterstützung und zudem in der Gemeinde stigmatisiert und ausgegrenzt hat Tamara seit fünf Jahren keinen Zugang zu der notwendigen medizinischen Behandlung.

  • Beobachtung und Interpretation des Projektteams: Der Hexenglaube ist in Togo in fast allen Regionen, aber insbesondere auf dem Lande, verbreitet und tief in der Gesellschaft verankert. Kinder sind hiervon oft lebensbedrohlich betroffen, wenn sie der Hexerei bezichtigt werden. Ausgrenzung, Vernachlässigung und Stigmatisierung behindern die kindliche Entwicklung. Nicht wenige werden verfolgt, schwer misshandelt, lebensbedrohlich verletzt oder gar zu Tode gebracht. Hilfsangebote gibt es für sie kaum oder werden ihnen verwehrt. Die Geschichte von Tamara in der Region Savanes im Norden Togos ist ein erschütterndes Beispiel, aber leider kein Einzelfall. Das Mädchen wurde in einem sehr leidenden Zustand angetroffen. Das verwundete und infizierte Bein bereitete ihr große Schmerzen, sodass sie nachts kaum schlief. 
  • Maßnahmen: CREUSET konnte durch die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren eine medizinische Behandlung organisieren. Im Hinblick auf Tamaras Stabilisierung und Wiedereingliederung in ein schützendes familiäres Umfeld nahm CREUSET die psychosoziale Begleitung, darunter Gespräche mit Tamara, der Familie, Großfamilie, traditionellen Autoritäten und dem lokalen Sozialdienst, auf. Inzwischen lebt Tamara bei ihrer Tante und geht auch wieder in die Schule. Es besteht jedoch ein Bedarf an Nachbegleitung, insbesondere in psychologischer Hinsicht.
Kinder, die von CREUSET begleitet werden - Ein Lächeln kehrt in ihr Gesicht zurück. cr
Kinder, die von CREUSET begleitet werden - Ein Lächeln kehrt in ihr Gesicht zurück. cr

Luciles Geschichte

„Ich heiße Lucile. Ich lebe bei meinem Vater und meiner Mutter. Mein Vater hat mir einen Mann ausgesucht und ich will nicht. Man zwingt mich, ihn zu akzeptieren und zu ihm zu gehen. Der Mann ist der Bruder der Frau von meinem Bruder. Man sagt, wenn ich mich weigere, zu ihm zu gehen, wird seine Schwester meinen Bruder verlassen. Aber ich habe gesagt, ich will ihn nicht heiraten. Ich bin noch ein Mädchen und er, er hat schon eine Frau und Kinder. Mein Vater sagt, es ist Zeit, dass ich zu meinem Mann gehe. Aber ich habe mich geweigert. 

Dann ist der Mann gekommen und hat mich mit Gewalt mitgenommen. Er hat das dreimal gemacht. Die ersten beiden Male konnte ich fliehen und wieder nach Hause laufen. Aber er hat mich wieder geholt. Diesmal ist er mit einem Freund gekommen. Die beiden haben mich mit dem Motorrad mitgenommen. Ich saß in der Mitte und der Mann hielt mich von hinten fest. Als wir bei ihm ankamen, sperrte er mich in sein Schlafzimmer. Als er mit mir schlafen wollte, habe ich mich mit meinen Nägeln und Zähnen gewehrt. Dann holte er seinen Freund. Der hielt mich fest und sie zerrissen mir die Kleidung. Der Mann schlief auf mir. Danach konnte ich nicht mehr gehen. Es tat so weh in meinem Unterleib. Schließlich schaffte ich es fortzulaufen und zur Gendarmerie zu gehen.“

  • Beobachtung und Interpretation des Projektteams:Unter Berufung auf die Tradition werden in der Präfektur Dankpen im Norden Togos verschiedene Formen der Frühverheiratung praktiziert (und von den im Kinderschutz ungeschulten staatlichen Autoritäten auch weitgehend toleriert). Eine Form ist der „Austausch“. Hierbei wird bei einer Heirat einer Frau aus Familie A in eine Familie B im Gegenzug der Familie A eine Frau aus der Familie B versprochen. So kommt es, dass Mädchen häufig bereits bei der Geburt einem (viel älteren) Mann versprochen werden. Die Mädchen werden nicht eingeschult oder ein Jahr vor der geplanten Heirat aus der Schule genommen, aus Befürchtung, sie könnten sich gegen eine Heirat wehren, wenn sie gebildet seien. 
    Das Ausmaß der Frühverheiratungen in der Präfektur Dankpen ist gravierend und in der Praxis oft auch brutal. Die betroffenen Mädchen sind dem meist schutzlos ausgeliefert, da die eigene Familie keinen Halt gibt und es in den Gemeinden an Hilfsangeboten fehlt. In der „Ehe“ sind sie mehr Sklavinnen, als gleichberechtigte Partnerinnen. Die fehlenden Bildungs- und Zukunftsperspektiven verstärken ihre Abhängigkeit, die frühen Schwangerschaften ihre physische, psychische und sozioökonomische Vulnerabilität. 
  • Maßnahmen: Lucile konnte in Sicherheit gebracht und vorrübergehend in einer Pflegefamilie aufgenommen werden. CREUSET begleitete das Mädchen psychologisch und rechtlich und konnte mithilfe der Unterstützung lokaler Akteure auch die medizinische Behandlung organisieren. Der besagte Ehemann und sein Freund befinden sich im Gefängnis. Die Gespräche werden fortgeführt, um eine langfristige Lösung für die familiäre Wiedereingliederung von Lucile zu finden.

Mehr Informationen zur Kinderrechtsorganisation und ihre wirksame und nachhaltige Projektarbeit in West- und Zentralafrika, die Kindern in Not den Zugang zu ihren Grundrechten ermöglicht, finden Sie auf der Website von Kinderechte Afrika e.V. 

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